Agiles Führen Teil 2
In diesem zweiten Artikel der Serie werden die Führungsprinzipien des agilen Führens vorgestellt.
Agiles Führen bedeutet in unserer VUKA-Welt, sich und sein Team flexibel und wendig zu führen.
Das Prinzip der agilen Projektführung wurzelt im Projektmanagement zur Softwareentwicklung. Dort gab man sich verschiedene Grundwerte, aus denen sich sieben Führungsprinzipien ableiten lassen, die allgemein auf Projektarbeit und Unternehmensführung anwendbar sind.
Aus meiner Sicht ist Agilität:
- Kein Heilmittel gegen fehlende Unternehmensvision und -strategie
- Kein Heilmittel gegen Führungsschwäche
- Nicht passend für jede Situation, Abteilung und jedes Projekt
Führen ist vor allem eine Frage der Haltung. Agiles Führen verlangt dabei eine dynamische Denkweise, die sich stets entwickeln lässt. Für eine gute Unternehmenskultur, in der sich die Mitarbeitenden stärker einbringen und einbezogen fühlen als bisher, kann man sich wiederum Impulse aus den sieben Prinzipien der agilen Führung ableiten.
Die 7 Führungsprinzipien des agilen Führens
1: Veränderungen begrüßen
Entscheidungen sollten stets überprüft werden, wenn Rahmenbedingungen sich ändern. Dazu gehört auch, das eigene Führungsverhalten immer wieder an die aktuelle Situation auszurichten.
Hintergrund des Prinzips ist die Maxime, Änderungswünsche des Kunden grundsätzlich positiv anzunehmen, selbst wenn die Produktentwicklung schon weit vorangeschritten ist. Kurzum: Stellen Sie sich den Realitäten, akzeptieren Sie diese und leiten Sie daraus Ihr Handeln ab: Wie können die Veränderungen zum Vorteil Ihres Kunden genutzt werden?
Insbesondere Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen, da hier Ihre Vorbildfunktion deutlich sichtbar wird.
2: Heterogene Teams bilden
Viele Probleme in Projekten ließen sich vermeiden, wenn die jeweiligen Experten über ihren Tellerrand hinaus blickten. Durch die Bildung von fachübergreifenden (crossfunktionalen) Teams ergeben sich häufig ganz automatisch beträchtliche Synergieeffekte.
Das regelmäßige Gespräch (in angemessener Frequenz) sorgt für Klarheit bei allen Beteiligten. Entwickler, Fachexperten und Kunden tauschen sich engmaschig über ihre Anforderungen aus, arbeiten eng zusammen und gleichen die unterschiedlichen Sichtweisen auf eine Thematik ab.
Die Aufgabe der Führungskraft ist die passende Entwicklung (agiler) Teams. Wichtig ist auch die gute Moderation der Abstimmungsrunden, damit diese kurz und effizient sind.
3: Eigenverantwortlichkeit fördern
Hier ist es hilfreich, sich das Prinzip im Original anzusehen:
„Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib Ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe lösen.“
Es finden sich drei Aspekte darin, die zu beleuchten sind:
- Motivation
- Umfeld
- Vertrauen
Motivation hängt eng mit einem dem Führungsprinzip 6 zusammen, der Selbstorganisation. Und sie geht weiter, verlangt mehr. Beispielsweise existiert eine enge Korrelation zum Umfeld. Denn klassische Strukturen bremsen häufig Agilität und motiviertes Arbeiten aus oderverhindert sie sogar. Beispielsweise durch die Zeiteinteilung und die Anzahl der Projekte, an denen ein Mitarbeiter arbeitet. Dadurch entstehen Ressourcenkonflikte, und häufig fehlen Vorgaben und Prioritäten. Auf die Motivation zahlen auch Führungsqualitäten, Kommunikation, Fehlerkultur sowie die physische Arbeitsumgebung ein.
Es ist Aufgabe der Führungskräfte, zur Klärung beizutragen. Sie können einzelne Aufgaben priorisieren und Verantwortlichkeiten delegieren.
Führungsprinzip 3 fordert auch Vertrauen. Sie ist Voraussetzung für Eigenverantwortlichkeit und gleichzeitig auch Folge davon. Nur mit einem Vertrauensvorschuss schaffen es Führungskräfte, diesen Kreislauf in Gang zu setzen.
4: Direkte Kommunikation fordern, fördern und vorleben
In unserer heutigen Zeit und in vielen Projekten hat sich ein Problem eingeschlichen: Die indirekte Kommunikation. Beispielsweise durch E-Mail und Ticketsysteme, um technische Details abzuarbeiten. Es kommt dabei bekanntlich zu vielen Reibungsverlusten.
Agilität benötigt jedoch direkte Kommunikation, durch das persönliche Gespräch und andere direkte Kommunikationsmittel wie Messagingdienste, die man auch in mobilen Apps zur internen Kommunikation findet.
Als Führungskraft ist man gefordert, die direkte Kommunikation vorzuleben und sie zu fördern. Dazu gehört auch, die Teams immer wieder dazu aufzufordern.
5: Für ein gesundes Arbeitspensum sorgen
Eigentlich nichts Neues: Wer immer am Anschlag arbeitet oder sogar darüber hinaus, wird dieses Tempo nicht dauerhaft halten können. Ganz im Gegenteil: Die Gefahr von ernsthaften Erkrankungen ist in solchen Fällen enorm groß.
Dieses Führungsprinzip trägt der Erkenntnis Rechnung, dass niemand permanent an seiner Belastungsgrenze arbeiten kann. Es steht folglich in einem Spannungsverhältnis zum Arbeitgeberwunsch, ein möglichst hohes Tempo bei der Aufgabenerfüllung vorzulegen.
Als Führungskraft ist es wichtig, das richtige Maß zu ermöglichen. Durch entsprechende Maßnahmen kann die Leistungsfähigkeit dauerhaft im Team erhalten bleiben, die wirtschaftliche Motivation beachtet und insgesamt eine gesunde Unternehmenskultur entwickelt werden. So vermeidet die Führungskraft teure krankheitsbedingte Ausfälle und personelle Fluktuation aufgrund eines toxischen Arbeitsumfelds.
Im Umkehrschluss: Die Motivation steigt durch die Beachtung dieses Führungsprinzips.
6: Selbstorganisierte Teams ermöglichen
Beim Thema Selbstorganisation zeigt sich am deutlichsten der Unterschied in der agilen Projektführung gegenüber der Führung bei klassischen Projekten.
In agilen Projekten erstellt das Team die Arbeitspakete und ist dafür verantwortlich, die Aufgabenaufteilung auf Basis der Projektanforderungen untereinander selbst zu regeln. Die Führungskraft hat dabei die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Selbstorganisation klappt. Es geht also um die Prozessmoderation und nicht wie in klassischen Projekten darum, Arbeitspakete zu delegieren.
Selbstorganisation wirkt der heutigen Kritik von Mitarbeitenden rund um den Globus entgegen, fremdbestimmt zu sein. Weiterhin bemängeln Arbeitnehmer in den allermeisten Fällen, dass sie ihre Bedürfnisse vom Arbeitgeber nicht genügend wahrgenommen fühlen. Selbstorganisation gibt Verantwortung an die Mitarbeitenden ab und steigert ihre Zufriedenheit. Allerdings ist es notwendig, die Teams an dieses Führungsprinzip heranzuführen. Ansonsten entstehen Frustrationen aufgrund mangelhafte Organisation, Fehler, unklare Absprachen usw.
7: Kontinuierliche Verbesserung fördern
Es gibt seit Jahrhunderten viele kluge Aussagen darüber, wie wichtig es ist, stetig hinzuzulernen. Das gilt insbesondere in der agilen Führung.
Denn zu der Grundhaltung, dass jeder Prozess und jedes Produkt immer Möglichkeiten zur Verbesserung bietet, kommt im agilen Kontext hinzu, dass sich auch das Umfeld immer wieder verändert und es daher kontinuierlich Anpassungen im Projekt benötigt. Das betrifft sowohl den Prozess wie das Produkt. Als Führungsinstrument finden in der agilen Praxis sogenannte Retrospektiven wieder. In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.